Zweiter NGO Brief an die KfW zu Biomasseinvestitionen in Serbien

Novi Pazar Holzheizkraftwerk, Foto: Nataša Kovačević

An den
Bundesminister der Finanzen
Herrn Lars Klingbeil
11016 Berlin

An die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie
Frau Katharina Reiche,
10100 Berlin

CC:

Stefan Wintels, Vorsitzender, KfW und Christiane Laibach, Vorstandsmitglied, KfW

5. Juni 2025

Betr.: Ernsthafte Bedenken bezüglich der KfW-Finanzierung für Energie aus Holz-Biomasse in Serbien

Sehr geehrter Herr Klingbeil, sehr geehrte Frau Reiche,

am 29. Juli 2024 haben wir der KfW einen offenen Brief zukommen lassen, der von 41 Umweltorganisationen unterzeichnet wurde. In diesem offenen Brief forderten wir die KfW auf, das Programm für erneuerbare Energien in Südosteuropa – Entwicklung eines Biomassemarktes in Serbien auszusetzen und die Förderung auf Energieeffizienz- und Einsparmaßnahmen sowie Wind-, Solar- und Geothermie in Serbien umzulenken.

Am 9. August 2024 haben Herr Jürgen Kern und Herr Klaus Müller im Namen der KfW auf den offenen Brief geantwortet, jedoch ist die Antwort nicht auf unsere zentralen Anliegen eingegangen. Vom 18. bis 20. Februar 2025, besuchten Vertreter von CEE Bankwatch und Earth Thrive eine von der KfW geförderte Biomasseanlage in Serbien – die 8-MW-KWK-Anlage in Novi Pazar. Die Anlage in Novi Pazar wurde im Rahmen der ersten Tranche des KfW-Projekts gebaut, eine weitere  Anlage in Gronji Milanovac wird nicht von der KfW finanziert, dient aber als Beispiel dafür, dass Biomasseanlagen in Serbien schlecht verwaltet werden und Umweltstandards nicht eingehalten werden. Beide Anlagen verbrennen Holzhackschnitzel und verfügen über eigene Hackschnitzelwerke und Logistikzentren zur Lagerung von Rundholz.

Das von der KfW finanzierte Biomassekraftwerk in Novi Pazar, das auf den beigefügten Fotos zu sehen ist, steht vor erheblichen Umweltproblemen. Es bezieht Rundholz, das direkt aus den Wäldern entnommen wird, und ist nicht auf Sägerestholz oder Holzabfälle angewiesen, obwohl die Verbrennung großer Mengen der beiden letztgenannten Holzquellen ebenfalls problematisch ist, da sie in der Regel zur Herstellung von Holzprodukten verwendet werden können, die in einer Kreislaufwirtschaft Vorrang haben müssen.

Außerdem kann ein hoher Feuchtigkeitsgehalt zu einer erhöhten Luftverschmutzung führen, wenn die Biomasse aufgrund niedrigerer Ofentemperaturen unvollständig verbrannt wird. Die Anlage weist eine große sichtbare Abgasfahne auf, was auf einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hinweist, der wiederum zu einer erhöhten Luftverschmutzung führen kann, und es gibt keine Maßnahmen zur Kontrolle des Holzstaubs. Außerdem sind die Brandschutzmaßnahmen unzureichend. Sichtbare Staubausbreitung, verfärbte oder verzogene Metalloberflächen an Silos, übermäßige Dampf- oder Rauchemissionen und angesammelte Staubschichten an Außenstrukturen deuten auf mögliche Fehler in den Staubkontroll- und Brandschutzsystemen einer Biomasseanlage hin. Trotz der erheblichen Umweltauswirkungen ist eine zusätzliche Kapazitätserweiterung um 4,5 MW geplant.

Es fällt uns schwer zu akzeptieren, dass dieses 6,5-Millionen-Euro-Projekt von der KfW finanziert werden soll und dass die KfW-Delegation bei ihrem Besuch begeistert feststellte, dass “alles auf höchstem Niveau ausgeführt wurde und dass sie die Fortsetzung des Projekts sicherlich empfehlen wird”, was zu einem zusätzlichen Kredit führen würde.

Um ein klareres Bild davon zu vermitteln, wie der Betrieb von Biomasse die Umwelt und die öffentliche Gesundheit gefährdet, stellen wir ein weiteres Beispiel aus einer benachbarten Stadt vor. Dieser Fall wurde zwar nicht von der KfW finanziert, zeigt aber, wie sich Biomasseanlagen über Betriebsstandards hinwegsetzen. Die Anlage in Gornji Milanovac setzt ebenfalls auf Buchenrundholz, wie die beigefügten Fotos zeigen. Die Hackschnitzel haben einen hohen Feuchtigkeitsgehalt und werden durch die Lagerung im Freien schlammig, was zu einer Verschlechterung der Luftqualität führt. In der Anlage gibt es keine Staubkontrollmaßnahmen zum Schutz der Anwohner:innen und Arbeiter:innen, die ohne Schutzausrüstung arbeiten und sich dadurch gefährlichen Bedingungen aussetzen.

Zusätzlich zu unseren ernsten Bedenken über die von Mitgliedern von CEE Bankwatch und Earth Thrive besichtigte KfW-finanzierte Biomasseanlage möchten wir unsere Bedenken darüber zum Ausdruck bringen, dass die Antwort, die wir im August 2024 von der KfW erhalten haben, auf mehrere in dem offenen Brief angesprochene Fragen nicht eingeht und dass sie einige Fakten unserer Einschätzung nach nicht korrekt wiedergibtt:

  • In dem Antwortschreiben bezieht sich die KfW auf Biomassekessel mit Gas- und Öl-Backup-Kesseln. Dies dürfte für die vier in der ersten Projektphase finanzierten Anlagen in Priboj, Mali Zvornik, Novi Pazar und Majdanpek nicht zutreffen. Diese haben eine kombinierte fossile Gas- und Ölkapazität von 33,9 MW und eine Biomasseleistung von 19,5 MW. Jede einzelne Anlage hat eine größere Kapazität für fossile Brennstoffe als für Biomasse, was die in der Antwort der KfW vorgelegten Zahlen bestätigen. Es ergibt daher keinen Sinn, dass die mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkessel lediglich als Reservekessel dienen, und es wird vermutet, dass dies nicht der Fall sein könnte.
  • Die Behauptungen der KfW über die Verringerung der CO2-Emissionen lassen nicht nur die Schornstein-Emissionen außer Acht, sondern gehen auch nicht auf die Frage ein, ob die Verwendung von Waldholz möglicherweise zu einer Verringerung des Kohlenstoffbestands in den Wäldern und der Kohlenstoffbindung durch die Wälder geführt hat. Die KfW ignoriert zum Beispiel die Tatsache, dass der IPCC-Leitfaden für nationale Treibhausgasinventare besagt, dass CO2-Emissionen aus Schornsteinen in diesen nationalen Inventaren zwar nicht als Emissionen des Energiesektors ausgewiesen werden, aber dennoch in diesem Sektor erfasst werden sollten. Die Standardwerte für Treibhausgasemissionen, die in denselben IPCC-Leitlinien enthalten sind, zeigen, dass die CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Holz höher sind als die aus Kohle, fossilem Gas und Öl. Die KfW hat es auch versäumt, auf die Warnungen von Hunderten von Wissenschaftler:innen und des European Academies Science Advisory Council (ESAAC) einzugehen, dass das Abholzen von Bäumen für die Energiegewinnung aus Biomasse den Klimawandel beschleunigt, unabhängig davon, wie nachhaltig die Waldbewirtschaftung ist, weil einfach keine Zeit mehr bleibt, um Jahrzehnte auf das Nachwachsen der Bäume zu warten.
  • Die Antwort der KfW geht nicht auf die in dem offenen Brief geäußerte Besorgnis über toxische Luftemissionen – insbesondere Feinstaubemissionen (PM2,5) – ein.
  • Die Antwort der KfW geht nicht auf die Beweise für den hohen Grad an illegalem Holzeinschlag sowie die weit verbreiteten Schäden an lebenden Waldgemeinschaften ein, die durch intensiven und zerstörerischen Holzeinschlag in Serbien verursacht werden. Darin heißt es, dass die Gemeinden, die KfW-Mittel für Biomasseanlagen erhalten, Holz beziehen müssen, das nach dem FSC oder einem anderen internationalen (d. h. freiwilligen) Zertifizierungssystem zertifiziert ist. Obwohl FSC gemeinhin als besser angesehen wird als andere Forstzertifizierungssysteme, hat sich wiederholt gezeigt, dass Holz aus illegalem Holzeinschlag zertifiziert wurde. So entschied ein britisches Gericht im Jahr 2018, dass FSC-zertifiziertes Holz illegal auf den Markt gebracht wurde und daher gegen die EU-Holzverordnung verstoßen hatte. Es wurden keine Reformen umgesetzt, um die FSC-Zertifizierung von illegalem Holzeinschlag in Zukunft zu verhindern.
  • In dem Antwortschreiben der KfW heißt es, dass in der zweiten Phase “ein Schwerpunkt auf der Verwendung von Reststoffen aus Industrie und Landwirtschaft liegen soll”. Wie die Nutzung von Primärwaldbiomasse vermieden werden soll, wird jedoch nicht gesagt. Vielmehr heißt es dann: “Im Rahmen des KfW-geförderten Programms besteht eine starke Verpflichtung zur Einhaltung von Standards der nachhaltigen Forstwirtschaft”. Die Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft wäre irrelevant, wenn nur industrielle und landwirtschaftliche Reststoffe verwendet würden.
  • Die KfW behauptet in ihrem Antwortschreiben, dass mit Biomasse befeuerte Fernwärme effizienter ist als häusliche Holzöfen. Es wurde jedoch kein Nachweis dafür erbracht, dass die von der KfW finanzierten Anlagen die häuslichen Holzöfen ersetzen oder ersetzen werden. Außerdem wird dabei nicht berücksichtigt, dass es weniger umweltschädliche Alternativen gibt. Bisher wurden bestehende fossile Heizkessel für die Fernwärme durch solche für fossile Brennstoffe und Biomasse ersetzt, während Fernwärmepumpen und andere Alternativen für den Wärmesektor anscheinend nicht in Betracht gezogen wurden.

Wir hoffen, dass Sie ausführlich auf die in diesem Schreiben geäußerten und wiederholten Bedenken reagieren werden. Wir bitten Sie um eine ausführliche Antwort auf die in diesem Schreiben geäußerten Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der eigenen Richtlinien und operativen Standards der KfW. Sollten wir keine angemessene Antwort erhalten, werden wir in Erwägung ziehen, diese Angelegenheit über den internen Beschwerdemechanismus der KfW laufen zu lassen.

Neben der Bitte um eine ausführliche Antwort unterstreichen wir noch einmal unsere Forderung, dass die KfW das „Programm für erneuerbare Energien in Südosteuropa – Entwicklung eines Biomassemarktes in Serbien” aussetzt und die Unterstützung auf Energieeffizienz- und Einsparmaßnahmen sowie Wind-, Solar- und geothermische Energie in Serbien umlenkt.

Wir wissen Ihre Aufmerksamkeit für diese wichtigen Fragen zu schätzen und sehen Ihrer Antwort mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen,

Nataša Kovačević, Aktivistin für die Dekarbonisierung des Fernwärmesektors auf dem westlichen Balkan

Zoe Lujic, Aktivistin für die Rechte der Natur,
Earth Thrive & Balkan Centre for the Rights of Nature

Almuth Ernsting
Co-Direktorin, Biofuelwatch

Jana Ballenthien
Waldreferentin, ROBIN WOOD, Deutschland