Vattenfall Briefing German
Juli 2023
Wieviel Holz verbrennt Vattenfall derzeit in Berlin und welche Rolle soll Holz bis 2030 spielen?
2022 verbrannte Vattenfall knapp über 96.000 Tonnen Holz in Berlin, davon 62.000 t im Heizkraftwerk Märkisches Viertel und etwas über 34.000 t im Kohlekraftwerk Moabit. Ende Juni 2023 veröffentlichte das Unternehmen einen „Dekarbonisierungsfahrplan“ für das Wärmenetz in Berlin. Demnach soll Biomasse bis 2030 den größten Anteil am Ersatz von Kohle einnehmen. Der Prozentsatz von Biomasse an der Wärmeversorgung soll in diesem Zeitrahmen von 1 % auf 17 % steigen. Dafür müssten etwa 1,6 Millionen Tonnen Holz pro Jahr verbrannt werden.
Vattenfall hatte schon vorher geplant, ab 2024 die Menge an Holz, die das Unternehmen jährlich verbrennt, zu steigern. Bis 2026 ist eine neue Biomasseanlage am Heizkraftwerk Reuter-West geplant, um einen Teil der gegenwärtigen Kohleenergie zu ersetzen. Im Jahr 2027 soll eine weitere Biomasseanlage am Heizkraftwerk Klingenberg in Betrieb genommen werden.
Woher kommt Vattenfalls Holz derzeit und woher soll es in Zukunft kommen?
Laut einer Antwort des Unternehmens auf eine Anfrage eines Berliner Abgeordneten bezog Vattenfall 2022 70 % des Holzes, das sie in Berlin verbrannten, direkt aus dem Wald. Dazu gehörten ganze Stämme von frisch eingeschlagenen Bäumen, die direkt an Vattenfall geliefert wurden. Wie viele der gelieferten „Waldholzhackschnitzel“ aus Stammholz produziert wurden ist nicht bekannt. 14 % war Landschaftspflegematerial, 11 % stammte aus Kurzumtriebsplantagen in Brandenburg und in Polen, und 5 % war Restholz von Sägewerken.
Es ist scheint unwahrscheinlich, dass Vattenfall Lieferungen von Holz aus Kurzumtriebsplantagen in der Region signifikant steigern kann.
Dienen Vattenfalls Kurzumtriebsplantagen vor allem dem Greenwashing?
Vattenfall betreibt auf 2.060 Hektar Land in Brandenburg und Polen Kurzumtriebsplantagen (KUPs) mit Weiden und Pappeln. Bei einem Anteil von 11 % KUP-Holz an der gesamten Biomasse muss deshalb von einem Jahresertrag von höchstens 5,15 Atrotonnen (d.h. Tonnen Holz ohne jegliche Feuchtigkeit) pro Hektar ausgegangen werden. 2020 und 2021 lag der Ertrag noch niedriger. Der Grund für die äußerst geringen Erträge ist das Klima in Brandenburg und dem größten Teilen Polens, wo die durchschnittliche Niederschlagsmenge suboptimal für Pappeln und viel zu niedrig für Weiden ist Niedrige Erträge bedeuten, dass besonders viel Land gebraucht wird, um relativ wenig Energie zu produzieren. Bislang gibt es kaum
Erfolg mit KUPs in Europa. Das liegt daran, dass für Landwirte die finanziellen Risiken zu hoch und das Einkommen zu niedrig sind.
Was bedeutet die Rolle für Biomasse in Vattenfalls “Dekarbonisierungsfahrplan” für Berlins Klimaziele?
Ein Kohleausstieg in Berlin und anderswo ist lange überfällig. Er muss Teil einer Energiewende sein, die die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich reduziert. Die Erderwärmung ist längst zu weit fortgeschritten, als dass wir uns eine „Übergangsphase“ mit anderen CO2-intensiven Energieformen leisten könnten. Dazu gehört Erdgas, aber auch Holzbiomasse, vor allem wenn sie aus Wäldern und Baumplantagen stammt.
Bereits 2018 warnten 800 Wissenschaftler*innen die EU in einem offenen Brief: “Die Verwendung von Holz, das gezielt für die Verbrennung geerntet wird, würde den Kohlenstoff in der Atmosphäre und die Erwärmung der Erde für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte erhöhen…Insgesamt verwandeln die Holzernte und das Verbrennen von Holz unter dieser [Erneuerbare Energie-]Direktive bedeutende Reduzierungen der Kohlenstoffemissionen, die andernfalls durch Solar- und Windenergie erreicht würden, in einen großen Anstieg des CO2 in der Atmosphäre bis 2050.“ Ähnliche Warnungen wurden auch von EASAC, dem Verbund der Nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedsstaaten, ausgesprochen.
Aufgrund eines Beschlusses, der vor Jahren bei einem UNFCCC-Klimagipfel getroffen wurde, werden CO2-Emissionen aus Bioenergie nicht dem Energiesektor zugerechnet. Stattdessen soll ein Verlust von Kohlenstoff in Wäldern dem Sektor „Landnutzung, -änderung und Forstwirtschaft“ angerechnet werden. Die Idee war zu verhindern, dass Emissionen durch Holzenergie doppelt gezählt werden. In der Realität werden sie nun oft nirgendwo berechnet. Unternehmen wie Vattenfall und auch das Land Berlin können offiziell CO2-Einsparungen verbuchen, obwohl das Verbrennen von Holz nicht weniger CO2 freisetzt als das Verbrennen von Kohle, auch wenn neue Bäume diesen Kohlenstoff zumindest jahrzehntelang nicht sequestrieren werden.
So hilft Holzenergie zwar dem Land Berlin, seine offiziellen Klimaziele zu erreichen, allerdings nur auf dem Papier. Dem Klima selbst ist nicht geholfen.
Nachhaltige Biomasse?
Schon 2011 hatten Vattenfall und das Land Berlin eine Vereinbarung über „nachhaltige Biomasse“ unterzeichnet, laut derer alles Waldholz aus „nachhaltiger Forstwirtschaft“ stammen soll. Diese wurde 2021 um zehn Jahre verlängert. Doch solange die Bäume energetisch genutzt werden, macht es für das Klima in den nächsten Jahrzehnten keinen Unterschied, ob die Forstwirtschaft nachhaltig ist oder nicht. Das wird auch in dem oben erwähnten Brief von 800 Wissenschaftler*innen betont. Ebenso wenig ist es für das Klima relevant, ob Bioenergie mit stofflicher Nutzung von Holz aus Wäldern oder Plantagen konkurriert. Zudem gibt es allen Grund zu bezweifeln, dass Vattenfall garantieren kann, auch nur die Biodiversitäts- und Sozialkriterien zu erfüllen: Im ersten Jahr nach Unterzeichnung der Biomasse-Vereinbarung verheizte die Firma in Moabit Holz aus liberianischen Kautschukplantagen. Vattenfall beendete diesen Liefervertrag 2012 aus wirtschaftlichen Gründen, doch das Projekt war mit schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden, an deren Folgen laut eines Reports der NGO Swedwatch viele Menschen noch nach Jahren leiden.i Dennoch verlässt sich die Umweltbehörde des Berliner Senats noch heute darauf, dass Vattenfalls Kriterien robust sind.
Geht es auch ohne Holzbiomasse?
Für Vattenfall lohnt es sich, neue Biomassekessel in ihre bestehende Energieinfrastruktur zu integrieren, statt in klimafreundliche Alternativen zu investieren. Doch, wie eine Studie des Fraunhofer- Instituts zeigt, gibt es ausreichend Potential, die Wärmeversorgung Berlins zu garantieren, ohne kohlenstoffreiche Brennstoffe, zu denen auch Holz zählt, zu nutzen. Der Berliner Senat muss die bisherige Position zur Biomasse, die eine große Expansion des Holzverbrennens vorsieht, revidieren und sicherstellen, dass die Wärmeversorgung tatsächlich dekarbonisiert wird und dass keine neuen Biomassekessel genehmigt werden
Kampagne für Rekommunalisierung von Vattenfalls Fernwärmentz und Anlagen
Neun Berliner Klima- und Umweltorganisationen, darunter Bürgerbegehren Klimaschutz (BBK) und der Berliner Energietisch, fordern, dass Vattenfall das Fernwärmenetz und die Erzeugungsanlagen zu einem für die Öffentlichkeit günstigen Preis an das Land Berlin verkauft.i Laut den Organisationen muss Berlins Wärmeversorgung demokratisch kontrolliert werden, damit eine wirklich klimafreundliche und sozial verträgliche Energiewende möglich wird.